Am Vortag des Heiligen Nikolaus wollte ich das Mittagsgebet am Arbeitsplatz besonders gestalten und holte mir dabei Inspiration aus einer unerwarteten Quelle: einer Künstlichen Intelligenz. ChatGPT schlug mir viele kreative Ideen vor – von einer Einführung in die Figur des Nikolaus über einen theologischen Impuls zum Thema Nächstenliebe mit passenden Bibelstellen bis hin zu Aktivitäten wie dem Basteln von Nikolaus-Säckchen. Auch gemeinsames Singen und Überlegungen dazu, was wir heute vom Heiligen Nikolaus lernen können, waren Teil der Vorschläge.
Doch bei all den Anregungen war ich überrascht, dass ein Punkt, der mir persönlich sehr wichtig erschien, fehlte: die Kindheitserinnerungen. Für viele von uns sind die Erlebnisse aus der Kindheit – sei es der Besuch des Nikolaus, das Suchen nach gefüllten Stiefeln oder die Spannung am Vorabend – eng mit diesem Fest verbunden. Ich fragte mich, warum dieser emotionale Zugang in den Vorschlägen der KI nicht enthalten war.
Ein weiterer Schwerpunkt, den ich ergänzte, war das Kornwunder. Diese Geschichte zeigt die tätige Nächstenliebe des Heiligen Nikolaus auf eindrucksvolle Weise. Sie erinnert uns daran, wie bedeutend selbstlose Hilfe sein kann – eine Botschaft, die gerade heute aktueller denn je ist.
Es war eine interessante Erfahrung, die digitalen Ideen mit persönlichen Impulsen zu kombinieren. Das Ergebnis war ein bewegender Moment des Innehaltens, der Tradition, Innovation und unsere eigenen Erinnerungen zusammenbrachte.
In einer Zeit großer Not bewies der Heilige Nikolaus, Bischof von Myra, was es bedeutet, aus tiefem Glauben und Mitgefühl zu handeln.
Während einer langen Hungersnot, ausgelöst durch monatelange Dürre, waren die Vorräte der Stadt Myra erschöpft. Die Menschen litten großen Hunger, und es schien keine Rettung in Sicht. Doch eines Tages legten fremde Schiffe im Hafen an, schwer beladen mit Getreide. Die hungernden Menschen baten verzweifelt um Hilfe, doch die Seeleute weigerten sich. Das Korn war für den Kaiser bestimmt, und sie fürchteten Strafe, sollten sie etwas davon abgeben.
Die Menschen wandten sich hilfesuchend an ihren Bischof Nikolaus. Er ging mit ihnen zum Hafen und begann, mit den Seeleuten zu verhandeln. Als diese immer wieder auf die strengen Anweisungen des Kaisers verwiesen, sprach Nikolaus voller Zuversicht:
„Gebt uns Korn für die Hungernden, und ich verspreche euch: Gott wird euch segnen. Kein Sack wird euch fehlen, wenn ihr euer Ziel erreicht.“
Zu ihrer großen Verwunderung gaben die Seeleute nach. Sie luden reichlich Korn aus, das Nikolaus gerecht unter den Menschen verteilte. Ein Teil wurde für Saatgut zurückbehalten, damit die Felder bald wieder Frucht tragen konnten. Besonders lag Nikolaus das Wohl der Kinder am Herzen: Als erstes ließ er Brot für sie backen und verteilen.
Später erfuhren die Leute von Myra, dass die Schiffe der Seeleute tatsächlich kein Korn verloren hatten, als sie beim Kaiser ankamen – ein Wunder, das Nikolaus' Glauben und seine Barmherzigkeit bestätigte.
Noch heute erinnert die Tradition, Kinder am Nikolaustag mit Backwerk und kleinen Geschenken zu erfreuen, an diese Begebenheit. Sie zeigt, wie ein Akt der Nächstenliebe, gepaart mit tiefem Vertrauen, die Welt verändern kann – damals wie heute.
Gibt es auch heute in unserer aufgeklärten Welt noch Wunder? Können wir – kann ich – an Wunder glauben?
Aus spiritueller und religiöser Sicht geschehen Wunder oft in Form von Heilungen oder von unerklärlichen Ereignissen oder Veränderungen im Leben eines Menschen. Aus wissenschaftlicher Perspektive werden Phänomene durch Forschung und Erkenntnisse erklärt. Wunder können auch in Form von persönlichen Veränderungen und Wachstum erlebt werden. Menschen, die schwere Zeiten durchgemacht haben und dann eine positive Wende in ihrem Leben erfahren, empfinden dies oft als ein Wunder.
Unsere Gesellschaft hofft auf Wunder, gerade im Blick auf die Krisen in unserer Welt.
Wir alle hoffen auf das Wunder der Ver-Wandlung – in uns, und um uns herum – , dass aus Krieg Friede werde und alle Menschen in Eintracht miteinander leben können.
Kann ich „Wunder“ in meinen Leben erkennen? Wo ist heute der Hunger in der Welt – sichtbar oder vielleicht unsichtbar? Was nährt mich und meine Seele, wenn ich an die Legende vom Kornwunder des Heiligen Nikolaus denke?
Kontakt: serhard@eja-muenchen.de
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